Der Wald entlang des Jossatales

gestern - heute - morgen

von Christian Rietz-Nause

 

Mit diesem Beitrag zur Chronik möchte der Autor einen kurzen Abriss über die Waldgeschichte in unserer Region geben. Der Wald von Jossa war nicht nur in der Vergangenheit von großer Bedeutung für die hiesige Bevölkerung, auch heute noch hat ein großer Teil der Jossaer Bürger einen engen Bezug zu ihrem Wald.

In drei Zeitepochen soll nun in einem Zeitraffer vorgestellt werden, was einst war und was morgen mit unserem Wald sein kann.

Gestern:

Der römische Schriftsteller Cornelius Tacitus beschrieb Germanien vor ca. 2000 Jahren als ein Land „von unheimlichen Wäldern und abscheulichen Sümpfen“. Auch unsere Region war komplett von Wald bedeckt, nicht mit Bäumen bestockt waren nur die Sumpf- und Moorpartien entlang der Jossa.

Die am häufigsten vertretene Baumart war die Buche, nur dort wo es zu trocken (auf den Bergkuppen) oder zu feucht (entlang der Sumpfpartien an der Jossa) konnten sich Mischbaumarten wie Eiche, Erle oder Weiden etablieren.

Bis zum Beginn des Mittelalters blieb der Wald weitgehend unangetastet. Erst in den Jahrhunderten zwischen 800 bis 1300 vollzog sich eine große und intensive Rodungsperiode. Nachdem die Waldrodung abgeschlossen war, verstärkte sich der Druck auf den verbleibenden Wald in Form von ungeregelter Nutzung. 

Schweine, Rinder sowie Ziegen und Schafe wurden zur Mast in den Wald getrieben, der zunehmende Bedarf an Brenn- und Bauholz trieb die Nutzung immer weiter in die Tiefe der Wälder vor. In unseren Wäldern war es vor allem die Köhlerei, welche vom 16. bis ins 19. Jahrhundert riesige Mengen an Holz zur Herstellung von Holzkohle verbrauchte. Noch heute sind zahlreiche Köhlerplatten rund um Jossa im Wald zu erkennen und zeugen von dieser einstigen Waldnutzungsform.

Auch die Glashütte in Emmerichsthal, deren Gründung auf das 18. Jahrhundert zurückführt, benötigte für die Glasschmelze Holz als Brennstoff. Die Folgen für den Wald blieben nicht aus, eine erste Waldbeschreibung aus dem Jahr 1633 spricht von lückigen, ungepflegten, ohne nennenswerten Anteil an älteren Bäumen, mit sehr geringen Holzvorräten bestockte Flächen. Durch die ungeregelte Übernutzung der Wälder kam es zwangsläufig zu einer Holzverknappung und damit zu erforderlichen Ordnungen und Regelungen der Holznutzung im Wald.

Der Wald um Jossa war vom Anbeginn des 17. Jahrhundert im Eigentum der Grafschaft Hanau, diese erließen nun erste Forstordnungen, welche unter Androhung von Strafe durch das hiesige Forstpersonal beaufsichtigt wurden. Doch nur durch Einschränkungen in der Nutzung des Waldes war der traurige Zustand in den Wäldern nicht zu beheben.

Eine Verbesserung der Holzvorräte durch eine natürliche Verjüngung der damaligen Laubwälder war kaum möglich. Die dazu notwendigen Samenbäume waren nur unzureichend vorhanden, des Weiteren fehlte die notwendige Erfahrung und Technik, eine Naturverjüngung der Bäume einzuleiten.

Es blieb den Forstleuten des 19. Jahrhunderts daher überhaupt nichts anderes übrig, als die weniger anspruchsvollen und schnellwachsenden Nadelhölzer wie Kiefer, Lärche und Fichte für die Aufforstungen zu verwenden. Allein diese Baumarten waren in der Lage, die vielen verunkrauteten Kahlflächen so schnell wie möglich wieder in Bestockung zu bringen.

Zeugen aus dieser Zeit der ersten Kiefernsaaten sind die 190 Jahre alten Kiefern oberhalb der „Müsbrücke“ in der Waldabteilung 1117.

Am Weg steht die „Meyne-Kiefer“ (benannt nach dem Preußischen Förster MEYNE).

Im 19. und 20. Jahrhundert gab es durch zwei Weltkriege einen sehr hohen Bedarf an Bauholz, um die verwüsteten Dörfer und Städte wieder aufzubauen. Damit stieg der Bedarf an Fichtenholz, welches sich für Bauzwecke bestens eignet, enorm an. Die vermehrte Anbauwelle dieser Baumart ist unter anderem auf diese geschichtlichen Ereignisse zurück zu führen.

 

Durch den Zwang, regelmäßig Holz für die verschiedensten Nutzungsformen dauerhaft bereitzustellen, entwickelte sich in der Forstwirtschaft das Prinzip der Nachhaltigkeit. Georg Ludwig Hartig, ein Forstklassiker des 18. und 19. Jahrhunderts beschrieb die Nachhaltigkeit im Forst wie folgt:

Dem Wald ist nur soviel an Holzmasse zu entnehmen, wie gleichzeitig wieder nachwächst.

Oder anders ausgedrückt: die Waldungen sind so zu nutzen, dass die Nachkommenschaft ebenso viel Vorteile daraus ziehen kann wie die jeweils gegenwärtige Generation.

Vor etwa 200 Jahren entstand so allmählich eine geregelte Forstwirtschaft. Im Jahr 1835 gab es für die Wälder im Spessart die erste Forsteinrichtung, das bedeutet eine Erhebung der aktuellen Holzvorräte, verbunden mit einer angepassten Nutzungsvorgabe. Die Bewirtschaftung erfolgte, ähnlich der Nutzung in der Landwirtschaft, nämlich schlagweise. Das bedeutet, dass mit Erreichen eines bestimmten Zielalters (Fichte 100 Jahre, Buche 120 Jahre), dieser Bestand kahlgeschlagen wurde, um anschließend auf der entstandenen Freifläche erneut junge Bäume zu pflanzen.

Beauftragt mit der Vorbereitung und Durchführung der Waldarbeiten in einem bestimmten Gebiet (den Forstrevieren) waren die Forstbeamten. Der erste erwähnte Forstmann aus der Region um Jossa ist der „Reitende Förster Johann Conrad Manns“ aus den Jahren 1764 – 1786. Die Wälder um Jossa wurden ab 1878 vom Forstamt Marjoß betreut, welches wiederum mehrere Revierförstereien hatte.

Eine Revierförsterei hatte vor etwa 100 Jahren eine Größe von 500 Hektar und wurde vom Revierförster geleitet. Hier waren es die Förstereien Jossa, Neuengronau und Kreuzgrund, die sich den Wald unserer Region teilten. Zu einer Försterei gehörten auch zahlreiche Arbeiter und Arbeiterinnen, die das Holz einschlugen, junge Bäume pflanzten und diese pflegten und schützten vor Gras, schlecht geformten konkurrierenden Bäumen, Mäusen oder dem Wild, welches gerne die frischen Triebe der jungen Bäume verbeißt. 

 

Die Arbeit im Wald war körperlich sehr anstrengend und gefährlich. Ein Waldarbeiter aus unserer Region verlor bei der Arbeit im Wald sein Leben. Es war der Waldarbeiter Konrad Schüssler, welcher bei der Holzernte im Jahr 1972 von einer Buche erschlagen wurde. Der „Schüssler-Stein“ in Abt 1004 erinnert an diesen tragischen Unfall.

Vier Jossaer Forstwirte, von rechts: Hans Zeller, Friedrich Ziegler, Heinrich Ziegler, Fritz Müller. Diese Männer waren viele Jahrzehnte im Wald tätig. sie haben noch die Zeit miterlebt, als es keine mobilen Motorsägen im Wald gab.  

Der Weg zur Arbeitsstelle wurde noch vor 50 Jahren zu Fuß zurückgelegt und konnte bis zu einer Stunde Anmarsch dauern. Einen Unterschlupf bei schlechtem Wetter gab es nicht, man war Wind und Wetter ausgesetzt. Ein offenes Feuer, welches am Morgen nach dem Eintreffen am Arbeitsplatz entfacht wurde, sorgte in den Pausen für Wärme und diente zum Kochen von Kaffee. Zum Fällen von Bäumen wurden Schrotsägen und Äxte eingesetzt, zum Pflanzen von jungen Bäumen Spaten und spezielle Hacken.

Erst im Jahr 1958 kamen die ersten Motorsägen in den Wald und sollten Arbeitsbelastung und Arbeitsergebnisse verbessern. Gerückt wurde das Holz im Wald mit Pferden, welche die Stämme zu den Forststraßen schleppten. Dort wurden die Stämme auf Wagen geladen und ebenfalls mit Pferdefuhrwerken zum Bahnhof nach Jossa oder direkt ins Sägewerk transportiert.

Die Durchführung der Jagd gehörte seit jeher zu den Aufgaben der Forstleute. Das Erlegen von Rot-, Schwarz- und Rehwild sowie Hasen und Wildhühnern war im 16. – 18. Jahrhundert eher eine vergnügende Veranstaltung der Landesherren. Die Wildstrecken aus den Jahren 1787 – 1794 zeigen für unsere Region wenig Rot- und Schwarzwild, dafür aber viele Rehe, Hasen und Wildhühner wie Auerwild, Rebhuhn und Haselhühner. Im 20. Jahrhundert wandelte sich dieses und der Bestand an Niederwild (Hasen und Hühnervögel) ging stark zurück. Im Gegenzug nahm der Bestand an Rot- und Schwarzwild zu.

Der Naturschutz spielte zur damaligen Zeit überhaupt keine Rolle, es gab nicht einmal den Begriff des „Naturschutz“. Natur war im Überfluss vorhanden, diese galt es eher zu bändigen und sich zu Nutze zu machen.

Heute:

Unser Wald hat sich in den Jahren verändert, vorratsreiche Mischwälder aus Eiche, Buche, Fichte und Lärche sind vielerorts anzutreffen. Der Holzvorrat gemessen auf einer Fläche von einem Hektar hat sich in den vergangenen 200 Jahren mehr als verdoppelt. Nach einer aktuellen Inventur war der Wald in Deutschland- dies gilt auch für unsere Region- noch nie so vorratsreich an Holz wie zum jetzigen Zeitpunkt.

1954 im Breiten Tal, Ast. 1143 - Waldarbeiter - von links: Hans Zeller,

Konrad Zeller, Heinrich Zeller (mit einem Auerhuhn auf dem Arm), Ernst Beyer,

Wilhelm Zeller,  Hans Walther, ganz vorne: Heinrich Schüßler 

Der Wald von heute soll möglichst naturnah sein, die Zusammensetzung von verschiedenen Baumarten in unterschiedlichen Altersphasen geben ihm Stabilität und Flexibilität. Kahlschläge sind nicht erlaubt, der Wald soll sich, wenn möglich, natürlich verjüngen.

Betreut wird der Wald, nördlich und südlich der Jossa gelegen, durch die nun 1.800 Hektar große Revierförsterei „Kreuzgrund“. Der nachhaltige Einschlag von Holz in dieser Revierförsterei beträgt 10.000 Festmeter (m³) Holz pro Jahr. Leiter ist ein Forstbeamter, der die anfallenden Arbeiten gemeinsam mit einem Forstwirtschaftsmeister und drei Forstwirten bewältigt.

1952 Am Goldberg, AST 1027  - Förster Steyer mit Waldarbeitern und Kulturfrauen beim Frühstücken ( Foto Erika Schultheis, geb. Ruppert)

Die "Jösser Planzweiber" beim Frühstück. Sie pflanzten damals tausende neue Bäume und pflegten die Jungbestände. Aufnahme von ca. 1955 

Die Arbeit im Wald ist auch heute noch körperlich anstrengend und gefährlich. Die Arbeitssicherheit hat demzufolge eine große Bedeutung in diesem Beruf. Ausbildung, Weiterbildung und geeignete Arbeitsausrüstung sollen dazu beitragen, dass die Arbeit im Wald möglichst unfallfrei abläuft.

Auch heute noch wird vor allem starkes und wertvolles Holz durch den Forstwirt mit der Motorsäge gefällt und eingeschnitten.

Etwa 40% des gesamten Jahreseinschlags der Försterei werden auf diese Weise geregelt, den Rest (6.000 Festmeter) bearbeitet eine Forstmaschine, der Harvester. Diese Forstmaschinen arbeiten überwiegend in jüngeren Baumbeständen und werden durch Forstunternehmer dem Waldeigentümer zur Verfügung gestellt.

Harvester im Einsatz   (Foto Manuela Gebhard)

Neben der Holzernte und der Waldpflege gehören auch die Bereiche der Jagd, des Naturschutzes und der Öffentlichkeitsarbeit zum Aufgabenspektrum der Forstleute. 

Das Regulieren von Wildbeständen durch die Jagd ist durch Gesetze vorgegeben und geregelt.

Ziel soll es sein, das Gleichgewicht in der Natur zu erhalten und Schäden in der Land- und Forstwirtschaft zu vermeiden.

Im Jahr 2015 wurden in der Revierförsterei Kreuzgrund 40 Stück Rotwild, 68 Stück Schwarzwild und 33 Rehe erlegt.

Hasen und Wildhühner kommen entweder nicht mehr vor oder haben eine ganzjährige Schonzeit.

Strecke legen auf “Schäfers-Wiese“ November 2016 (Foto  Peter Thome)

Der Naturschutz ist heute im Wald von großer Bedeutung. Seltene Arten und deren Biotope (Lebensräume) werden intensiv durch Maßnahmen gepflegt und geschützt.

Dabei kann es sich sowohl um seltene Pflanzen als auch vom Aussterben bedrohte Tiere handeln.

In unseren Wäldern leben wieder Tierarten wie Schwarzstorch, Wildkatze, Kreuzotter und Uhu, aber auch kleinere Tiere wie Fledermäuse, Libellen oder ein Käfer namens „Eremit“ verdienen unsere Aufmerksamkeit.

Im Jahre 1988 wurden an der Jossa und ihren Nebenflüssen Biber wiedereingebürgert. Dieses Projekt kann man aus Sicht des Naturschutzes als absolut gelungen einstufen.

Der große Nager besiedelt unsere Jossa von Pfaffenhausen bis zur Mündung in die Sinn und noch viele weitere Nebenflüsse. Dass Biber ihre ganz speziellen Vorstellungen von der Gestaltung ihrer Lebensräume haben, erleben besonders die Bürger, welche Grundstücke in unmittelbarer Nähe von Gewässern besitzen oder nutzen.

Manche Dammbauten führen zu überschwemmten Wiesen und Erdröhren der Tiere können zu Fallgruben werden. Ein Verhaltensmuster, welches vor 200 Jahren zur Ausrottung dieser Tiere durch den Menschen geführt hat. 

Heute soll ein abgestimmtes Management auf der Fläche dazu führen, dass Mensch und Tier nebeneinander friedlich leben können.

Morgen:

Unser Wald wird auch in Zukunft viele Funktionen erfüllen müssen. Seine Bewirtschaftung durch die Forstleute soll die unterschiedlichen Ansprüche vereinen und eine ausgewogene nachhaltige Nutzung mit gleichzeitigem Schutz von besonderen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere sichern.

Er soll weiterhin der Erholung und dem Klimaschutz dienen, damit auch kommende Generationen ihren wunderbaren Wald um die Ortschaft Jossa schätzen und behüten.

 

Christian Rietz-Nause

Revierleiter der Försterei Kreuzgrund,     im Dez. 2016

Im Spessartwald 

Diese Fotos wurden uns ausschließlich von Hans Zeller, Spessartstrasse 34 zur Verfügung gestellt

 

Auf dem ersten Foto sieht man vier Jossaer Forstwirte, die alle viele Jahrzehnte im Spessartwald tätig waren, 

von rechts: Hans Zeller, Friedrich Ziegler, Heinrich Ziegler, Friedrich Müller

Ein Mann des Waldes:  Hans Zeller

Soldatengräber in der Heister

60er Blockhaus im Marjosser Forst

Am Schießplatz im Marjosser Forst 

Grenzsteine Dreimärker

Der Jagdhund von Hans Zeller

Goldbrunnen mit Blockhaus

Ruhbrunnen mit Teich

Hütte zwischen Sinnerberg und Emmerichsthal

Hütte Schubert, unweit Emmerichsthal

Die Jossa unterhalb der Müsbrücke

Speckesteg

 

Ein kapitaler Hirsch, 

 

erlegt von Hans Zelle